Autismus – Von der Diagnose zur Therapie und Beratung

Ich glaube, ich bin autistisch, was kann ich tun?

Wenn Sie sich diese Frage stellen, wenden Sie sich an Ihre Hausarztpraxis, eine psychiatrische Praxis oder eine Praxis für Psychotherapie. Sollte sich im Gespräch mit diesen Fachkräften Ihre Vermutung bestätigen, werden Sie in der Regel an eine Spezialsprechstunde einer Spezialambulanz für Autismus verwiesen. Dort wird die ausführliche Diagnostik durchgeführt. Leider gibt es in Deutschland nur wenige Spezialambulanzen für Erwachsene. Diese sind in der Regel an Hochschulkliniken. Der Blick auf erwachsene Menschen mit Autismus und deren Diagnose hat erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dadurch ist eine Unterversorgung entstanden. Lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen und lassen Sie sich trotzdem auf die eventuell vorliegende Warteliste setzen.

Wie läuft eine Autismus Diagnostik ab?

Wenn Sie einen Termin bei einer Spezialambulanz erhalten haben, müssen Sie zunächst wissen, dass es keine verlässlichen Labortests gibt, um Autismus zu diagnostizieren. Die Diagnose wird anhand von speziellen Interviewfragebögen und Testaufgaben gestellt — und das braucht Zeit. Durch die Diagnose können andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Die Diagnose ist ein Ergebnis aus standardisierter Beobachtung, rückblickend und aktuell. Dabei werden Autismus-Symptome, Vorbefunde, Zeugnisse und Beobachtungen von Bezugspersonen berücksichtigt

Folgendes sollten Sie vor dem Termin abklären:

In den meisten Fällen werden vorab per Post oder per E-Mail Fragebögen zugeschickt, die Sie beantworten sollen. Die Diagnose erfolgt dann anhand von mehreren Bestandteilen:

Nach der Diagnostik

Abschließend wird ein Diagnosebericht erstellt, was einige Wochen dauern kann.

Nach der Diagnostik können Sie, wenn eine sogenannte Autismus-Spektrum-Störung vorliegt, Unterstützung beantragen, wenn Sie diese benötigen.

Unterstützung kann zum Beispiel sein: 

Ein wichtiger Hinweis: Es kann sein, dass sich Ihre Vermutung nicht bestätigt und Sie keine Diagnose aus dem Bereich Autismus haben. Lassen Sie sich in diesem Fall erklären, durch was die Diagnose ausgeschlossen werden konnte, wie sich Ihre derzeitige Problematik erklären lässt, und welche Hilfen Sie zur Verbesserung Ihrer jetzigen Situation bekommen können.

Wie läuft eine Therapie für Menschen mit einer Diagnose aus dem Autismus Spektrum ab?

Eines schon einmal vorweg: Es ist nichts Schlimmes, wenn Sie sich professionelle Hilfe suchen, weil Sie mit Ihren bisherigen Strategien nicht weitergekommen sind. Es ist ganz im Gegenteil eine unglaubliche Stärke, wenn Sie sich dies eingestehen können. Leider kann aber keine therapeutische Behandlung der Welt den Autismus wegzaubern, und es gibt auch keine Medikamente gegen Autismus. Medikamente gibt es nur gegen die sogenannten Begleitsymptome wie ADHS oder Depressionen. Diese werden aber nur von Ärzt*innen oder Psychiater*innen verordnet.

Eine weitere wichtige Information: Bisher gibt es in Deutschland kein anerkanntes Therapiekonzept für erwachsene Menschen mit Autismus-Diagnose. Sie können aber mit professioneller Unterstützung lernen, mit Ihren Schwierigkeiten besser umzugehen, und Sie können damit Ihren Leidensdruck senken.

Grundsätzlich gibt es verschiedene in Deutschland anerkannte Therapieverfahren, wie die kognitive Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder die systemische Therapie. Die Kosten werden bei Vorliegen entsprechender Diagnose von der Krankenkasse übernommen. Lassen Sie sich von jemandem,, der Sie und Ihr spezielles Anliegen kennt, beraten, welche Therapieform für Sie in Frage kommt. Finden Sie eine Therapie oder ein Beratungsangebot speziell für Menschen mit Autismus-Diagnose, steht die Erweiterung der sozialen Kompetenzen oft im Mittelpunkt der Arbeit. Ziel ist es einen Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu bekommen, aber auch die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen. Sie können wertvolle Strategien erlernen, um mit schwierigen Situationen gelassener umzugehen. 

Sie können außerdem Ihr Stressmanagement verbessern, indem Sie sich Entspannungszeiten bewusst in Ihren Wochen- oder Tageablauf einplanen, denn für Menschen mit einer Autismus-Diagnose ist der Alltag durch die vielen Sinneseindrücke oft sehr anstrengend. In der Beratung können Sie auch die Themen Beruf oder Beziehungsgestaltung aufgreifen. Viele Menschen mit einer Diagnose, gerade aus dem hochfunktionalen Autismusbereich, sind oft sehr gut ausgebildet, haben aber Schwierigkeiten den passenden Beruf für sich zu finden. Auch die Gestaltung einer Partnerschaft oder Freundschaft fällt oft nicht leicht. Durch Beratung oder Therapie können Sie unterstützt werden, ein insgesamt zufriedeneres und ausgeglicheneres Leben zu gestalten.

Was kann ich selbst tun?

Vielleicht sind Sie etwas frustriert, wenn Sie die langen Wartezeiten in den Bereichen Diagnostik und Therapie sehen. Es kann sinnvoll sein, dass Sie selbst aktiv werden. Suchen Sie sich zum Beispiel eine Selbsthilfegruppe. Der Austausch mit Menschen mit einer Autismus-Diagnose kann sehr hilfreich sein, weil Sie sich dadurch verstanden und zugehörig fühlen können. Untereinander werden oft viele Tipps und Ratschläge zur Verbesserung der jeweiligen Situationen ausgetauscht. Diese Austauschmöglichkeiten gibt es zunehmend auch online.

Was Sie außerdem tun können, ist sich zu informieren. Wertvolle Hinweise rund um das Thema Autismus, Literatur und Vernetzung bieten zum Beispiel www.autismus.de oder www.autismus-kultur.de.

Sie können, um die Wartezeit zu einem therapeutischen Angebot zu überbrücken, auch beraterische Angebote aufsuchen. Gerade in der systemischen Beratung gelingt es oft, konkrete Anliegen in erreichbare Ziele zu formulieren und kleine Veränderungen in kurzer Zeit mit wenigen Terminen anzustoßen. Da der Markt an systemischer Beratung sehr vielfältig ist, können Sie sich daran orientieren, ob die Ausbildung zertifiziert ist. In Deutschland gibt es die Systemische Gesellschaft (SG) oder die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (dgsf). Beide arbeiten nach wissenschaftlichen Standards und sind unter anderem dafür zuständig, Ausbildungen zu überprüfen und zu zertifizieren. Die systemische Beratung wird von der Krankenkasse leider nicht erstattet, das heißt, Sie sind Selbstzahler*in und müssen für die Behandlung selbst aufkommen. Das kann aber auch Vorteile bieten: Sie brauchen keine Diagnose vorzulegen, die Terminvergabe ist in der Regel zeitnah möglich, es gibt keine Vorgaben, was die Terminanzahl oder den Terminintervall betrifft und Ihre Daten werden nicht zentral gespeichert.

Das Wichtigste aber ist: Lassen Sie sich nicht entmutigen — Sie werden Ihren Weg finden!

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